{"id": 2677, "description": "Auf dem Gel\u00e4nde der Realschule in der Goldbergstra\u00dfe wurden mit wei\u00dfer und schwarzer Farbe Hakenkreuze und andere Schmierereien angebracht und mehrere Steinplatten vom Dach der Schule geworfen.", "date": "2020-02-19 00:00:00.000000", "url": "https://www.leuchtlinie.de/chronik/?page=15", "rg_id": "leuchtlinie-eef4eef8b1adfdd63a9a6be660468b18", "city": "Sindelfingen", "county": "B\u00f6blingen", "chronicler_name": "LEUCHTLINIE", "title": "Hakenkreuz-Schmierereien", "factums": null, "motives": null, "postal_code": "71063", "state": "Baden-W\u00fcrttemberg", "latitude": "48.70789", "longitude": "9.00197", "address": null, "age": null, "official": null, "tags": null, "contexts": null, "orig_county": null, "orig_city": "Sindelfingen", "country": "Deutschland", "orig_address": null, "district": null, "street": null, "house_number": null, "point_geom": {"$base64": true, "encoded": "AAHmEAAAcCU7NgIBIkAtlbcjnFpIQHAlOzYCASJALZW3I5xaSEB8AQAAAHAlOzYCASJALZW3I5xaSED+"}} {"id": 2678, "description": "Die Moschee wurde am Abend mit Hakenkreuzen und rechtsradikalen Parolen beschmiert.", "date": "2020-02-19 00:00:00.000000", "url": "https://www.leuchtlinie.de/chronik/?page=15", "rg_id": "leuchtlinie-c07755eb0f19ab2bbf511ead12072de1", "city": "Emmendingen", "county": "Emmendingen", "chronicler_name": "LEUCHTLINIE", "title": "Hakenkreuz-Schmiererei an Moschee", "factums": null, "motives": null, "postal_code": "79312", "state": "Baden-W\u00fcrttemberg", "latitude": "48.12086", "longitude": "7.8495", "address": null, "age": null, "official": null, "tags": null, "contexts": null, "orig_county": null, "orig_city": "Emmendingen", "country": "Deutschland", "orig_address": null, "district": null, "street": null, "house_number": null, "point_geom": {"$base64": true, "encoded": "AAHmEAAA2c73U+NlH0CBsilXeA9IQNnO91PjZR9AgbIpV3gPSEB8AQAAANnO91PjZR9AgbIpV3gPSED+"}} {"id": 10596, "description": "Ein 37-j\u00e4hriger Mann wird im Hausflur in der Naunynstra\u00dfe von einem 32-j\u00e4hrigen Nachbarn aus antisemitischer Motivation beleidigt und bespuckt.", "date": "2020-02-19 00:00:00.000000", "url": "https://www.reachoutberlin.de/de/content/berlin-kreuzberg-134", "rg_id": "https://www.reachoutberlin.de/de/content/berlin-kreuzberg-134", "city": "Berlin", "county": "Berlin", "chronicler_name": "ReachOut", "title": null, "factums": null, "motives": null, "postal_code": "10963", "state": "Berlin", "latitude": "52.49382", "longitude": "13.38358", "address": null, "age": null, "official": null, "tags": null, "contexts": null, "orig_county": "Berlin", "orig_city": "Berlin-Kreuzberg", "country": "Deutschland", "orig_address": null, "district": "Kreuzberg", "street": null, "house_number": null, "point_geom": {"$base64": true, "encoded": "AAHmEAAAo8wGmWTEKkAsDmd+NT9KQKPMBplkxCpALA5nfjU/SkB8AQAAAKPMBplkxCpALA5nfjU/SkD+"}} {"id": 13670, "description": "Ein*e unbekannte T\u00e4ter*in sendet eine verhetzende E-Mail an eine Moschee in Bremen-Gr\u00f6pelingen und droht mit einem Anschlag.\n\nEin*e unbekannte T\u00e4ter*in sendet in den Mittagsstunden des 19.02.20 eine E-Mail an die Fatih-Moschee in Bremen-Gr\u00f6pelingen. Die E-Mail enth\u00e4lt neben rechtsextremen und verhetzenden Inhalten auch eine Bombendrohung. Der*Die T\u00e4ter*in k\u00fcndigt in dem Schreiben einen Bombenanschlag in den Morgenstunden des 20.02.20 an der Moschee in der Stapelfeldstra\u00dfe an. Einsatzkr\u00e4fte der Polizei finden bei der anschlie\u00dfenden Durchsuchung des Moschee-Gel\u00e4ndes keine Hinweise auf eine Bombe.\nOrt: Bremen-Gr\u00f6pelingen", "date": "2020-02-19 00:00:00.000000", "url": "https://keine-randnotiz.de", "rg_id": "keinerandnotiz-157", "city": "Bremen", "county": "Bremen", "chronicler_name": "Keine Randnotiz", "title": "Rechtsextreme Bombendrohung gegen Moschee", "factums": "Propagandadelikt, Bedrohung", "motives": "Faschismus / NS, Antimuslimischer Rassismus", "postal_code": "28237", "state": "Bremen", "latitude": "53.1112", "longitude": "8.75415", "address": "Stapelfeldtstra\u00dfe 9", "age": null, "official": null, "tags": null, "contexts": null, "orig_county": null, "orig_city": "Bremen", "country": "Deutschland", "orig_address": "Stapelfeldtstra\u00dfe 9", "district": "Gr\u00f6pelingen", "street": "Stapelfeldtstra\u00dfe", "house_number": "9", "point_geom": {"$base64": true, "encoded": "AAHmEAAAio7k8h+CIUBYqDXNO45KQIqO5PIfgiFAWKg1zTuOSkB8AQAAAIqO5PIfgiFAWKg1zTuOSkD+"}} {"id": 14313, "description": "Auf eine kommunale Unterkunft f\u00fcr Gefl\u00fcchtete wurde ein Brandanschlag ver\u00fcbt. In der Nacht gegen 3:50 Uhr entdeckten Bewohner*innen ein Feuer vor einem Fenster der Einrichtung. Die Bewohner*innen konnten das Feuer l\u00f6schen. Ein 43-J\u00e4hriger erlitt dabei leichte Brandverletzungen. Die Polizei ermittelt wegen Brandstiftung und schaltete den polizeilichen Staatsschutz wegen eines m\u00f6glichen politischen Tathintergrundes ein.", "date": "2020-02-19 00:00:00.000000", "url": "https://www.opferberatung-rheinland.de/chronik-der-gewalt/detail/19220-soest", "rg_id": "https://www.opferberatung-rheinland.de/chronik-der-gewalt/detail/19220-soest", "city": "Soest", "county": "Soest", "chronicler_name": "Opferberatung Rheinland", "title": null, "factums": null, "motives": null, "postal_code": "59494", "state": "Nordrhein-Westfalen", "latitude": "51.57251", "longitude": "8.10831", "address": null, "age": null, "official": null, "tags": null, "contexts": null, "orig_county": null, "orig_city": "Soest", "country": "Deutschland", "orig_address": null, "district": null, "street": null, "house_number": null, "point_geom": {"$base64": true, "encoded": "AAHmEAAA1qiHaHQ3IEAFUfcBSMlJQNaoh2h0NyBABVH3AUjJSUB8AQAAANaoh2h0NyBABVH3AUjJSUD+"}} {"id": 15903, "description": "Am Abend des 19. Februar 2020 ver\u00fcbte ein Rechtsterrorist einen rassistisch motivierten Anschlag in Hanau, bei dem neun Menschen ermordet wurden: G\u00f6khan G\u00fcltekin, Sedat G\u00fcrb\u00fcz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtovi\u0107, Vili Viorel P\u0103un, Fatih Sara\u00e7o\u011flu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov.\n\nGegen 22 Uhr er\u00f6ffnete ein Rechtsterrorist am Hanauer Heumarkt Feuer aus zwei Schusswaffen. In der Bar \u201eLa Votre\u201d erschoss er den Mitarbeiter Kaloyan Velkov. Im Anschluss begegnete er Fatih Sara\u00e7o\u011flu auf der Stra\u00dfe und erschoss auch ihn. In der Shishabar \u201eMidnight\u201d ermordete er den Eigent\u00fcmer Sedat G\u00fcrb\u00fcz. Im Anschluss floh der T\u00e4ter vom Tatort und fuhr in den Stadtteil Kesselstadt. Dort erschoss er auf einem Parkplatz Vili-Viorel P\u0103un in dessen Auto.\n\nIm Anschluss st\u00fcrmte er zum Lokal \u201cArena Bar & Caf\u00e9\u201d und dem angeschlossenen Kiosk. Dort t\u00f6tete er G\u00f6khan G\u00fcltekin, Mercedes Kierpacz und Ferhat Unvar. In der Bar schoss der T\u00e4ter auf mehrere junge M\u00e4nner, Said Nesar Hashemi starb noch am Tatort. Hamza Kurtovi\u0107 wurde schwer verletzt und starb im Krankenhaus. Weitere wurden verletzt, einer davon schwer.\n\nPamphlet offenbart rechtsextremes und verschw\u00f6rungstheoretisches Weltbild\n\nDie Generalbundesanwaltschaft ermittelt wegen Terrorverdachts. Ihr zufolge \u201eliegen gravierende Indizien f\u00fcr einen rassistischen Hintergrund der Tat vor\u201c. Grundlage f\u00fcr diese Einordnung ist unter anderem ein \u201eSkript\u201c, das der 42-j\u00e4hrige T\u00e4ter im Internet ver\u00f6ffentlichte. Darin vermischen sich antisemitische, verschw\u00f6rungsideologische Ideen mit rassistischen Vernichtungsfantasien. Das 24-seitige Dokument dr\u00fcckt den Hass des T\u00e4ters auf Muslim*innen und seine sozialdarwinistischen Rassevorstellungen aus.\n\n#saytheirnames\n\nDer Anschlag von Hanau hat bundesweit Entsetzen, Trauer und Solidarit\u00e4t hervorgerufen. Etwa 6.000 Menschen folgten dem Aufruf \u201eSolidarit\u00e4t statt Spaltung\u201c und demonstrierten am Samstag nach der Tat in Hanau gegen Rassismus und Menschenverachtung. In vielen weiteren deutschen St\u00e4dten kam es zu Kundgebungen und Demonstrationen.\n\nDie Opfer wurden nicht zuf\u00e4llig ausgew\u00e4hlt, sondern wegen ihrer realen oder vermeintlichen Migrationsgeschichte. Hinter den Namen stehen individuelle Schicksale, Geschichten und Biografien. Unter dem Motto #saytheirnames wird eine Erinnerung an die grausame Tat gefordert, die die Opfer als Menschen sichtbar macht, statt den T\u00e4ter in den Vordergrund zu r\u00fccken.\n\nG\u00f6khan G\u00fcltekin stammte aus einer kurdischen Familie und war 37 Jahre, als er von einem Rassisten in Hanau ermordet wurde. In Kesselstadt wurde er der \u201ebunte Hund\u201c\u00a0genannt. Sein Vater\u00a0sagte, er sei \u201eder Besonnene und Flei\u00dfige in der Familie gewesen\u201c. G\u00f6khan G\u00fcltekin war gelernter Maurer. Abends arbeitete er nebenberuflich in einem Caf\u00e9-Kiosk.\u00a0Er war ein hilfsbereiter Familienmensch und immer da, wenn er gebraucht wurde. Sein Bruder \u00c7etin G\u00fcltekin\u00a0sagte\u00a0\u00fcber ihn: \u201eMein Bruder hat unsere Familie zusammengehalten. Es m\u00fcsste mir peinlich sein, er war acht Jahre j\u00fcnger als ich, aber er hat sich um alles gek\u00fcmmert, er war unser Optimist\u201c.\n\nSedat G\u00fcrb\u00fcz war 29 Jahre alt, als er von einem Rassisten in Hanau ermordet wurde. Er lebte bei seinen Eltern in Dietzenbach, wo er auch aufgewachsen ist und viele Jahre im Verein Fu\u00dfball spielte. Er war Besitzer der Bar \u201cMidnight\u201d, mit der er sich einen lange ersehnten Traum erf\u00fcllt hat. Sedat war \u00fcberall beliebt. Die Dietzenbacher haben mir immer gesagt: \u201eDu hast so einen guten Sohn, er hat immer ein Lachen im Gesicht\u201c, erz\u00e4hlt sein Vater Selahattin G\u00fcb\u00fcz. \u201eEr hatte Tr\u00e4ume. Er hatte Pl\u00e4ne. Seine Freundin kommt uns jede Woche besuchen, seit Sedat tot ist. Sie wollten heiraten und eine Familie gr\u00fcnden\u201c, berichtet seine Mutter Emis G\u00fcrb\u00fcz\n\nSaid Nesar Hashemi, 21 Jahre alt, war gelernter Maschinen- und Anlagenf\u00fchrer. Im n\u00e4chsten Jahr wollte er seine Weiterbildung zum staatlich gepr\u00fcften Techniker abschlie\u00dfen. \u201eHanau ist unsere Heimat. Auch mein Bruder hat diese Stadt geliebt\u201d, sagt seine Schwester Saida Hashemi. Das Kennzeichen seines Autos endete auf 454 \u2013 Ziffern der Kesselst\u00e4dter Postleitzahl. Als friedlichen, hilfsbereiten und herzlichen Menschen beschreiben ihn seine Verwandten und Freunde. Er \u201ehatte immer ein offenes Ohr\u201c und l\u00e4chelte viel, wie auf den Fotos zu sehen ist. \u201eWenn sich zwei stritten, ging er dazwischen und schlichtete\u201c, blickt sein Bruder Said Etris Hashemi zur\u00fcck. Am 19.02.2020 wurde er beim rassistischen Anschlag in Hanau ermordet.\n\nDie 35-j\u00e4hrige Romni Mercedes Kierpacz war Mutter zweier Kinder. \u201eSie war sehr offen und sympathisch. Man hat sich in ihrer N\u00e4he sofort wohlgef\u00fchlt\u201c,\u00a0sagte ihre Freundin Jade M.\u00a0Kierpacz arbeitete im Kiosk neben der\u00a0Arena Bar, am Abend des 19. Februar wollte sie dort aber\u00a0nur etwas kaufen, als der T\u00e4ter von Hanau sie ermordete. Ihr Vater Filip Goman\u00a0beschreibt\u00a0sie als f\u00fcrsorglichen Menschen: \u201eSie hat sich immer um alle gek\u00fcmmert, sie wollte immer wissen, wer was macht, wo wer ist, warum jemand nicht zum Essen kam. Sie hat auch gern die Musik laut gedreht und getanzt. Allein, f\u00fcr sich, einfach so. So jemand will nicht sterben.\u201c\n\nHamza Kurtovi\u0107 hatte seine Berufsausbildung als Fachlagerist im Juni 2019 abgeschlossen. Drei Wochen vor seiner Ermordung begann der 22-J\u00e4hrige einen neuen Job, mit dem er \u00fcbergl\u00fccklich war. Bis zur Rente wolle er dort arbeiten, sagte er zu seinen Eltern. Kurtovi\u0107 verbrachte gern Zeit mit Freund*innen. Im Sommer vor dem Attentat hatte er seine Flugangst \u00fcberwunden und schmiedete mit seinen Freund*innen Pl\u00e4ne f\u00fcr gro\u00dfe Reisen.\u201cMein Bruder hat uns immer zum Lachen gebracht, war hilfsbereit und einf\u00fchlsam. Ihm war wichtig, dass es uns, seinen Liebsten, gut geht. Aber auch Menschen die er nicht kannte, waren ihm wichtig, so hat er sein erstes Azubigehalt f\u00fcr Menschen in Not gespendet\u201d, erz\u00e4hlt seine Schwester Ajla Kurtovi\u0107 \u00fcber ihn. Seine Familie stammt aus dem bosnischen Prijeder.\n\nVili-Viorel P\u0103un wurde 22 Jahre alt. Als 16-J\u00e4hriger kam er von Rum\u00e4nien nach Deutschland, da seine Mutter krank war und sich dort behandeln lassen wollte.\u00a0Seine Familie kam f\u00fcr ihn an\u00a0erster Stelle. Um sie zu unterst\u00fctzen, stellte er seine Ausbildung als Fliesenleger zur\u00fcck und arbeitete als Paketzusteller.\u00a0Seine Eltern\u00a0beschreiben\u00a0ihn als fr\u00f6hlichen, hilfsbereiten und flei\u00dfigen Menschen. Seine Mutter Iulia P\u0103un erz\u00e4hlt \u00fcber ihn: \u201eVili konnte viele Sprachen, Italienisch, Franz\u00f6sisch, Spanisch. Er wollte eigentlich studieren\u201c. Vili-Viorel war ihr einziges Kind. Er wurde am 19.02.2020 von einem Rassisten in Hanau ermordet.\n\nFatih Sara\u00e7o\u011flu wurde im t\u00fcrkischen Iskilip geboren. Er zog von Regensburg nach Hanau, um sich selbstst\u00e4ndig zu machen. Sein Vater beschreibt ihn mit den Worten: \u201eEr war meine gr\u00f6\u00dfte Hilfe.\u201c Fatih Sara\u00e7o\u011flu besuchte ihn regelm\u00e4\u00dfig in Regensburg, half bei Beh\u00f6rdeng\u00e4ngen, \u00fcbersetzte f\u00fcr ihn. Sara\u00e7o\u011flu war 34 Jahre alt, als er am 19.2.2020 von einem Rassisten in Hanau ermordet wurde. Sein Bruder sagt \u00fcber ihn: \u201eEr war jemand, der viele Ideen hatte, der viel wollte. Er hat mich auch immer angetrieben, hat mich gefragt, was ich aus meinem Leben machen will. Aber Fatih wusste auch, wie man das Leben genie\u00dft. Wir sind gern zusammen trainieren gegangen, dann in die Sauna und hinterher gut Essen, Steak und so was.\u201c\n\nFerhat Unvar\u00a0hatte gerade seine Lehre als Heizungs- und Gasinstallateur abgeschlossen und war dabei, eine eigene Firma zu gr\u00fcnden, als ein Rassist ihn in der Hanauer Kesselstadt ermordete. Ferhat Unvar wurde 22 Jahre alt. Er stand auf Techno und Hip-Hop, traf sich oft mit Freund*innen in der Arena Bar. Und er hatte viele Pl\u00e4ne und Tr\u00e4ume, wie seine Familie berichtet.\u00a0Seine Mutter Serpil Temiz Unvar erz\u00e4hlt \u00fcber ihren Sohn: \u201eIn der Schule mochte Ferhat Mathematik. Zu Hause hat er sehr viel gelesen. Er hat sich f\u00fcr die Welt interessiert, f\u00fcr Menschen. Wenn er schon alle B\u00fccher gelesen hatte, die wir zu Hause hatten, hat er auch noch im Lexikon gebl\u00e4ttert. So einer war er.\u201c Er hatte kurdische Wurzeln.\n\nDer 33-j\u00e4hrige Kaloyan Velkov lebte erst seit zwei Jahren in Deutschland. Er war Wirt der Bar\u00a0La Vorte\u00a0neben der Shishabar\u00a0Midnight\u00a0und wollte seine Familie in Bulgarien durch seine Arbeit finanziell\u00a0unterst\u00fctzen. Der 33-J\u00e4hrige war orthodoxen Glaubens und wohnte in Erlensee. Er hinterl\u00e4sst seine Frau Harieta und den gemeinsamen achtj\u00e4hrigen Sohn. Seine Cousine Vaska Zlateva erinnert\u00a0sich an ihn als gl\u00fccklichen Menschen, der gerne in Deutschland gelebt hat: \u201eKaloyan hat immer alle gegr\u00fc\u00dft, hat mit den Leuten gelacht. Er wollte hier bleiben, er wollte gut Deutsch lernen, vielleicht irgendwann den Job wechseln und mehr Geld verdienen. Sich selbstst\u00e4ndig machen.\u201c\n\nInitiativen von Betroffenen\n\nWenige Tage nach der Tat, am 6. M\u00e4rz 2020, gr\u00fcndeten Angeh\u00f6rige der Todesopfer, \u00dcberlebende und Unterst\u00fctzter*innen die\u00a0 Initiative 19. Februar Hanau. Seitdem organisierte die Initiative Mahnwachen und Kundgebungen gegen das Vergessen an die Todesopfer und fordert Erinnerung, Gerechtigkeit, Aufkl\u00e4rung und Konsequenzen.\n\nAnfang Mai 2020 er\u00f6ffnete die Initiative einen \u201aRaum gegen das Vergessen\u2018 in Hanau f\u00fcr die Betroffenen, \u00dcberlebenden und solidarische Personen als Begegnungs- und Beratungszentrum.\n\nDie Bildungsinitiative Ferhat Unvar nahm am 14. November 2020 ihre Arbeit auf. Sie wurde initiiert und mitgegr\u00fcndet von Serpil Temiz, der Mutter von Ferhar Unvar. Sie m\u00f6chte damit vor allem antirassistische Bildung und Empowerment leisten und bietet dazu ein breites Angebot an.\n\nKritik an Beh\u00f6rden vor, w\u00e4hrend und nach der Tat\n\nSeit der Tat wird immer wieder Kritik an staatlichen Beh\u00f6rden formuliert. So wurde bekannt, dass sehr wahrscheinlich derselbe T\u00e4ter bereits im Jahr 2018 in Hanau-Kesselstadt Jugendliche rassistisch beleidigt und mit einem Sturmgewehr bedroht hat. Statt den fl\u00fcchtigen T\u00e4ter zu suchen, versuchten die Beamt*innen damals den Anrufer des Notrufs auszumachen, da dieser den Einsatz zu zahlen habe.\n\nW\u00e4hrend der Tat riefen viele Zeug*innen den Polizeinotruf an, erreichten aber niemanden. Wie im Januar 2021 Recherchen offenbarten, konnten zum Zeitpunkt der Tat die Notrufe nur an zwei Apparaten entgegengenommen werden. Doch anscheinend waren nicht einmal diese beiden durchg\u00e4ngig besetzt und eine Rufumleitung zu einer Leitstelle nicht eingerichtet. So wurden viele Hinweise nicht geh\u00f6rt, die wom\u00f6glich zur Verhinderung der Morde am zweiten Tatort beitragen h\u00e4tten k\u00f6nnen.\n\nAm zweiten Tatort, der Arena-Bar, war zum Tatzeitpunkt der Notausgang verschlossen. Die G\u00e4ste sa\u00dfen in der Falle und konnten also nicht vor dem Attent\u00e4ter fliehen. Im Dezember 2020 stellten Angeh\u00f6rige frustriert Strafanzeige gegen Unbekannt. Erst seitdem ist der verschlossene Notausgang Gegenstand der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft.\n\nFast ein Jahr nach dem rassistischen Terroranschlag ver\u00f6ffentliche die Initiative 19. Februar Hanau am 14. Februar 2021 ein Video mit einer Anklage. Dabei tragen Angeh\u00f6rige der Todesopfer und \u00dcberlebende detailliert bisherige Recherchen zur \u201eKette des Versagens\u201c vor.\n\n", "date": "2020-02-19 00:00:00.000000", "url": "https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/todesopfer-rechter-gewalt/goekhan-gueltekin/", "rg_id": "aas-trg-post-54737", "city": "Hanau", "county": "Main-Kinzig-Kreis", "chronicler_name": "Todesopfer rechter Gewalt, Amadeu Antonio Stiftung", "title": "G\u00f6khan G\u00fcltekin", "factums": null, "motives": null, "postal_code": "63450", "state": "Hanau", "latitude": "50.13541", "longitude": "8.91644", "address": null, "age": "37 Jahre", "official": 1, "tags": null, "contexts": null, "orig_county": null, "orig_city": "Hanau", "country": "Deutschland", "orig_address": null, "district": null, "street": null, "house_number": null, "point_geom": {"$base64": true, "encoded": "AAHmEAAAE36pnzfVIUCTxmgdVRFJQBN+qZ831SFAk8ZoHVURSUB8AQAAABN+qZ831SFAk8ZoHVURSUD+"}} {"id": 15904, "description": "Am Abend des 19. Februar 2020 ver\u00fcbte ein Rechtsterrorist einen rassistisch motivierten Anschlag in Hanau, bei dem neun Menschen ermordet wurden: G\u00f6khan G\u00fcltekin, Sedat G\u00fcrb\u00fcz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtovi\u0107, Vili Viorel P\u0103un, Fatih Sara\u00e7o\u011flu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov.\n\nGegen 22 Uhr er\u00f6ffnete der Rechtsextreme am Hanauer Heumarkt Feuer aus zwei Schusswaffen. In der Bar \u201eLa Votre\u201d erschoss er den Mitarbeiter Kaloyan Velkov. Im Anschluss begegnete er Fatih Sara\u00e7o\u011flu auf der Stra\u00dfe und erschoss auch ihn. In der Shishabar \u201eMidnight\u201d ermordete er den Eigent\u00fcmer Sedat G\u00fcrb\u00fcz. Im Anschluss floh der T\u00e4ter vom Tatort und fuhr in den Stadtteil Kesselstadt. Dort erschoss er auf einem Parkplatz Vili-Viorel P\u0103un in dessen Auto.\n\nIm Anschluss st\u00fcrmte er zum Lokal \u201cArena Bar & Caf\u00e9\u201d und dem angeschlossenen Kiosk. Dort t\u00f6tete er G\u00f6khan G\u00fcltekin, Mercedes Kierpacz und Ferhat Unvar. In der Bar schoss der T\u00e4ter auf mehrere junge M\u00e4nner, Said Nesar Hashemi starb noch am Tatort. Hamza Kurtovi\u0107 wurde schwer verletzt und starb im Krankenhaus. Weitere wurden verletzt, einer davon schwer.\n\nPamphlet offenbart rechtsextremes und verschw\u00f6rungstheoretisches Weltbild\n\nDie Generalbundesanwaltschaft ermittelt wegen Terrorverdachts. Ihr zufolge \u201eliegen gravierende Indizien f\u00fcr einen rassistischen Hintergrund der Tat vor\u201c. Grundlage f\u00fcr diese Einordnung ist unter anderem ein \u201eSkript\u201c, das der 42-j\u00e4hrige T\u00e4ter im Internet ver\u00f6ffentlichte. Darin vermischen sich antisemitische, verschw\u00f6rungsideologische Ideen mit rassistischen Vernichtungsfantasien. Das 24-seitige Dokument dr\u00fcckt den Hass des T\u00e4ters auf Muslim*innen und seine sozialdarwinistischen Rassevorstellungen aus.\n\n#saytheirnames\n\nDer Anschlag von Hanau hat bundesweit Entsetzen, Trauer und Solidarit\u00e4t hervorgerufen. Etwa 6.000 Menschen folgten dem Aufruf \u201eSolidarit\u00e4t statt Spaltung\u201c und demonstrierten am Samstag nach der Tat in Hanau gegen Rassismus und Menschenverachtung. In vielen weiteren deutschen St\u00e4dten kam es zu Kundgebungen und Demonstrationen.\n\nDie Opfer wurden nicht zuf\u00e4llig ausgew\u00e4hlt, sondern wegen ihrer realen oder vermeintlichen Migrationsgeschichte. Hinter den Namen stehen individuelle Schicksale, Geschichten und Biografien. Unter dem Motto #saytheirnames wird eine Erinnerung an die grausame Tat gefordert, die die Opfer als Menschen sichtbar macht, statt den T\u00e4ter in den Vordergrund zu r\u00fccken.\n\nG\u00f6khan G\u00fcltekin stammte aus einer kurdischen Familie und war 37 Jahre, als er von einem Rassisten in Hanau ermordet wurde. In Kesselstadt wurde er der \u201ebunte Hund\u201c\u00a0genannt. Sein Vater\u00a0sagte, er sei \u201eder Besonnene und Flei\u00dfige in der Familie gewesen\u201c. G\u00f6khan G\u00fcltekin war gelernter Maurer. Abends arbeitete er nebenberuflich in einem Caf\u00e9-Kiosk.\u00a0Er war ein hilfsbereiter Familienmensch und immer da, wenn er gebraucht wurde. Sein Bruder \u00c7etin G\u00fcltekin\u00a0sagte\u00a0\u00fcber ihn: \u201eMein Bruder hat unsere Familie zusammengehalten. Es m\u00fcsste mir peinlich sein, er war acht Jahre j\u00fcnger als ich, aber er hat sich um alles gek\u00fcmmert, er war unser Optimist\u201c.\n\nSedat G\u00fcrb\u00fcz war 29 Jahre alt, als er von einem Rassisten in Hanau ermordet wurde. Er lebte bei seinen Eltern in Dietzenbach, wo er auch aufgewachsen ist und viele Jahre im Verein Fu\u00dfball spielte. Er war Besitzer der Bar \u201cMidnight\u201d, mit der er sich einen lange ersehnten Traum erf\u00fcllt hat. Sedat war \u00fcberall beliebt. Die Dietzenbacher haben mir immer gesagt: \u201eDu hast so einen guten Sohn, er hat immer ein Lachen im Gesicht\u201c, erz\u00e4hlt sein Vater Selahattin G\u00fcb\u00fcz. \u201eEr hatte Tr\u00e4ume. Er hatte Pl\u00e4ne. Seine Freundin kommt uns jede Woche besuchen, seit Sedat tot ist. Sie wollten heiraten und eine Familie gr\u00fcnden\u201c, berichtet seine Mutter Emis G\u00fcrb\u00fcz\n\nSaid Nesar Hashemi, 21 Jahre alt, war gelernter Maschinen- und Anlagenf\u00fchrer. Im n\u00e4chsten Jahr wollte er seine Weiterbildung zum staatlich gepr\u00fcften Techniker abschlie\u00dfen. \u201eHanau ist unsere Heimat. Auch mein Bruder hat diese Stadt geliebt\u201d, sagt seine Schwester Saida Hashemi. Das Kennzeichen seines Autos endete auf 454 \u2013 Ziffern der Kesselst\u00e4dter Postleitzahl. Als friedlichen, hilfsbereiten und herzlichen Menschen beschreiben ihn seine Verwandten und Freunde. Er \u201ehatte immer ein offenes Ohr\u201c und l\u00e4chelte viel, wie auf den Fotos zu sehen ist. \u201eWenn sich zwei stritten, ging er dazwischen und schlichtete\u201c, blickt sein Bruder Said Etris Hashemi zur\u00fcck. Am 19.02.2020 wurde er beim rassistischen Anschlag in Hanau ermordet.\n\nDie 35-j\u00e4hrige Romni Mercedes Kierpacz war Mutter zweier Kinder. \u201eSie war sehr offen und sympathisch. Man hat sich in ihrer N\u00e4he sofort wohlgef\u00fchlt\u201c,\u00a0sagte ihre Freundin Jade M.\u00a0Kierpacz arbeitete im Kiosk neben der\u00a0Arena Bar, am Abend des 19. Februar wollte sie dort aber\u00a0nur etwas kaufen, als der T\u00e4ter von Hanau sie ermordete. Ihr Vater Filip Goman\u00a0beschreibt\u00a0sie als f\u00fcrsorglichen Menschen: \u201eSie hat sich immer um alle gek\u00fcmmert, sie wollte immer wissen, wer was macht, wo wer ist, warum jemand nicht zum Essen kam. Sie hat auch gern die Musik laut gedreht und getanzt. Allein, f\u00fcr sich, einfach so. So jemand will nicht sterben.\u201c\n\nHamza Kurtovi\u0107 hatte seine Berufsausbildung als Fachlagerist im Juni 2019 abgeschlossen. Drei Wochen vor seiner Ermordung begann der 22-J\u00e4hrige einen neuen Job, mit dem er \u00fcbergl\u00fccklich war. Bis zur Rente wolle er dort arbeiten, sagte er zu seinen Eltern. Kurtovi\u0107 verbrachte gern Zeit mit Freund*innen. Im Sommer vor dem Attentat hatte er seine Flugangst \u00fcberwunden und schmiedete mit seinen Freund*innen Pl\u00e4ne f\u00fcr gro\u00dfe Reisen.\u201cMein Bruder hat uns immer zum Lachen gebracht, war hilfsbereit und einf\u00fchlsam. Ihm war wichtig, dass es uns, seinen Liebsten, gut geht. Aber auch Menschen die er nicht kannte, waren ihm wichtig, so hat er sein erstes Azubigehalt f\u00fcr Menschen in Not gespendet\u201d, erz\u00e4hlt seine Schwester Ajla Kurtovi\u0107 \u00fcber ihn. Seine Familie stammt aus dem bosnischen Prijeder.\n\nVili-Viorel P\u0103un wurde 22 Jahre alt. Als 16-J\u00e4hriger kam er von Rum\u00e4nien nach Deutschland, da seine Mutter krank war und sich dort behandeln lassen wollte.\u00a0Seine Familie kam f\u00fcr ihn an\u00a0erster Stelle. Um sie zu unterst\u00fctzen, stellte er seine Ausbildung als Fliesenleger zur\u00fcck und arbeitete als Paketzusteller.\u00a0Seine Eltern\u00a0beschreiben\u00a0ihn als fr\u00f6hlichen, hilfsbereiten und flei\u00dfigen Menschen. Seine Mutter Iulia P\u0103un erz\u00e4hlt \u00fcber ihn: \u201eVili konnte viele Sprachen, Italienisch, Franz\u00f6sisch, Spanisch. Er wollte eigentlich studieren\u201c. Vili-Viorel war ihr einziges Kind. Er wurde am 19.02.2020 von einem Rassisten in Hanau ermordet.\n\nFatih Sara\u00e7o\u011flu wurde im t\u00fcrkischen Iskilip geboren. Er zog von Regensburg nach Hanau, um sich selbstst\u00e4ndig zu machen. Sein Vater beschreibt ihn mit den Worten: \u201eEr war meine gr\u00f6\u00dfte Hilfe.\u201c Fatih Sara\u00e7o\u011flu besuchte ihn regelm\u00e4\u00dfig in Regensburg, half bei Beh\u00f6rdeng\u00e4ngen, \u00fcbersetzte f\u00fcr ihn. Sara\u00e7o\u011flu war 34 Jahre alt, als er am 19.2.2020 von einem Rassisten in Hanau ermordet wurde. Sein Bruder sagt \u00fcber ihn: \u201eEr war jemand, der viele Ideen hatte, der viel wollte. Er hat mich auch immer angetrieben, hat mich gefragt, was ich aus meinem Leben machen will. Aber Fatih wusste auch, wie man das Leben genie\u00dft. Wir sind gern zusammen trainieren gegangen, dann in die Sauna und hinterher gut Essen, Steak und so was.\u201c\n\nFerhat Unvar\u00a0hatte gerade seine Lehre als Heizungs- und Gasinstallateur abgeschlossen und war dabei, eine eigene Firma zu gr\u00fcnden, als ein Rassist ihn in der Hanauer Kesselstadt ermordete. Ferhat Unvar wurde 22 Jahre alt. Er stand auf Techno und Hip-Hop, traf sich oft mit Freund*innen in der Arena Bar. Und er hatte viele Pl\u00e4ne und Tr\u00e4ume, wie seine Familie berichtet.\u00a0Seine Mutter Serpil Temiz Unvar erz\u00e4hlt \u00fcber ihren Sohn: \u201eIn der Schule mochte Ferhat Mathematik. Zu Hause hat er sehr viel gelesen. Er hat sich f\u00fcr die Welt interessiert, f\u00fcr Menschen. Wenn er schon alle B\u00fccher gelesen hatte, die wir zu Hause hatten, hat er auch noch im Lexikon gebl\u00e4ttert. So einer war er.\u201c Er hatte kurdische Wurzeln.\n\nDer 33-j\u00e4hrige Kaloyan Velkov lebte erst seit zwei Jahren in Deutschland. Er war Wirt der Bar\u00a0La Vorte\u00a0neben der Shishabar\u00a0Midnight\u00a0und wollte seine Familie in Bulgarien durch seine Arbeit finanziell\u00a0unterst\u00fctzen. Der 33-J\u00e4hrige war orthodoxen Glaubens und wohnte in Erlensee. Er hinterl\u00e4sst seine Frau Harieta und den gemeinsamen achtj\u00e4hrigen Sohn. Seine Cousine Vaska Zlateva erinnert\u00a0sich an ihn als gl\u00fccklichen Menschen, der gerne in Deutschland gelebt hat: \u201eKaloyan hat immer alle gegr\u00fc\u00dft, hat mit den Leuten gelacht. Er wollte hier bleiben, er wollte gut Deutsch lernen, vielleicht irgendwann den Job wechseln und mehr Geld verdienen. Sich selbstst\u00e4ndig machen.\u201c\n\nInitiativen von Betroffenen\n\nWenige Tage nach der Tat, am 6. M\u00e4rz 2020, gr\u00fcndeten Angeh\u00f6rige der Todesopfer, \u00dcberlebende und Unterst\u00fctzter*innen die\u00a0 Initiative 19. Februar Hanau. Seitdem organisierte die Initiative Mahnwachen und Kundgebungen gegen das Vergessen an die Todesopfer und fordert Erinnerung, Gerechtigkeit, Aufkl\u00e4rung und Konsequenzen.\n\nAnfang Mai 2020 er\u00f6ffnete die Initiative einen \u201aRaum gegen das Vergessen\u2018 in Hanau f\u00fcr die Betroffenen, \u00dcberlebenden und solidarische Personen als Begegnungs- und Beratungszentrum.\n\nDie Bildungsinitiative Ferhat Unvar nahm am 14. November 2020 ihre Arbeit auf. Sie wurde initiiert und mitgegr\u00fcndet von Serpil Temiz, der Mutter von Ferhar Unvar. Sie m\u00f6chte damit vor allem antirassistische Bildung und Empowerment leisten und bietet dazu ein breites Angebot an.\n\nKritik an Beh\u00f6rden vor, w\u00e4hrend und nach der Tat\n\nSeit der Tat wird immer wieder Kritik an staatlichen Beh\u00f6rden formuliert. So wurde bekannt, dass sehr wahrscheinlich derselbe T\u00e4ter bereits im Jahr 2018 in Hanau-Kesselstadt Jugendliche rassistisch beleidigt und mit einem Sturmgewehr bedroht hat. Statt den fl\u00fcchtigen T\u00e4ter zu suchen, versuchten die Beamt*innen damals den Anrufer des Notrufs auszumachen, da dieser den Einsatz zu zahlen habe.\n\nW\u00e4hrend der Tat riefen viele Zeug*innen den Polizeinotruf an, erreichten aber niemanden. Wie im Januar 2021 Recherchen offenbarten, konnten zum Zeitpunkt der Tat die Notrufe nur an zwei Apparaten entgegengenommen werden. Doch anscheinend waren nicht einmal diese beiden durchg\u00e4ngig besetzt und eine Rufumleitung zu einer Leitstelle nicht eingerichtet. So wurden viele Hinweise nicht geh\u00f6rt, die wom\u00f6glich zur Verhinderung der Morde am zweiten Tatort beitragen h\u00e4tten k\u00f6nnen.\n\nAm zweiten Tatort, der Arena-Bar, war zum Tatzeitpunkt der Notausgang verschlossen. Die G\u00e4ste sa\u00dfen in der Falle und konnten also nicht vor dem Attent\u00e4ter fliehen. Im Dezember 2020 stellten Angeh\u00f6rige frustriert Strafanzeige gegen Unbekannt. Erst seitdem ist der verschlossene Notausgang Gegenstand der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft.\n\nFast ein Jahr nach dem rassistischen Terroranschlag ver\u00f6ffentliche die Initiative 19. Februar Hanau am 14. Februar 2021 ein Video mit einer Anklage. 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Dort t\u00f6tete er G\u00f6khan G\u00fcltekin, Mercedes Kierpacz und Ferhat Unvar. In der Bar schoss der T\u00e4ter auf mehrere junge M\u00e4nner, Said Nesar Hashemi starb noch am Tatort. Hamza Kurtovi\u0107 wurde schwer verletzt und starb im Krankenhaus. Weitere wurden verletzt, einer davon schwer.\n\nPamphlet offenbart rechtsextremes und verschw\u00f6rungstheoretisches Weltbild\n\nDie Generalbundesanwaltschaft ermittelt wegen Terrorverdachts. Ihr zufolge \u201eliegen gravierende Indizien f\u00fcr einen rassistischen Hintergrund der Tat vor\u201c. Grundlage f\u00fcr diese Einordnung ist unter anderem ein \u201eSkript\u201c, das der 42-j\u00e4hrige T\u00e4ter im Internet ver\u00f6ffentlichte. Darin vermischen sich antisemitische, verschw\u00f6rungsideologische Ideen mit rassistischen Vernichtungsfantasien. Das 24-seitige Dokument dr\u00fcckt den Hass des T\u00e4ters auf Muslim*innen und seine sozialdarwinistischen Rassevorstellungen aus.\n\n#saytheirnames\n\nDer Anschlag von Hanau hat bundesweit Entsetzen, Trauer und Solidarit\u00e4t hervorgerufen. Etwa 6.000 Menschen folgten dem Aufruf \u201eSolidarit\u00e4t statt Spaltung\u201c und demonstrierten am Samstag nach der Tat in Hanau gegen Rassismus und Menschenverachtung. In vielen weiteren deutschen St\u00e4dten kam es zu Kundgebungen und Demonstrationen.\n\nDie Opfer wurden nicht zuf\u00e4llig ausgew\u00e4hlt, sondern wegen ihrer realen oder vermeintlichen Migrationsgeschichte. Hinter den Namen stehen individuelle Schicksale, Geschichten und Biografien. Unter dem Motto #saytheirnames wird eine Erinnerung an die grausame Tat gefordert, die die Opfer als Menschen sichtbar macht, statt den T\u00e4ter in den Vordergrund zu r\u00fccken.\n\nG\u00f6khan G\u00fcltekin stammte aus einer kurdischen Familie und war 37 Jahre, als er von einem Rassisten in Hanau ermordet wurde. In Kesselstadt wurde er der \u201ebunte Hund\u201c\u00a0genannt. Sein Vater\u00a0sagte, er sei \u201eder Besonnene und Flei\u00dfige in der Familie gewesen\u201c. G\u00f6khan G\u00fcltekin war gelernter Maurer. Abends arbeitete er nebenberuflich in einem Caf\u00e9-Kiosk.\u00a0Er war ein hilfsbereiter Familienmensch und immer da, wenn er gebraucht wurde. Sein Bruder \u00c7etin G\u00fcltekin\u00a0sagte\u00a0\u00fcber ihn: \u201eMein Bruder hat unsere Familie zusammengehalten. Es m\u00fcsste mir peinlich sein, er war acht Jahre j\u00fcnger als ich, aber er hat sich um alles gek\u00fcmmert, er war unser Optimist\u201c.\n\nSedat G\u00fcrb\u00fcz war 29 Jahre alt, als er von einem Rassisten in Hanau ermordet wurde. Er lebte bei seinen Eltern in Dietzenbach, wo er auch aufgewachsen ist und viele Jahre im Verein Fu\u00dfball spielte. Er war Besitzer der Bar \u201cMidnight\u201d, mit der er sich einen lange ersehnten Traum erf\u00fcllt hat. Sedat war \u00fcberall beliebt. Die Dietzenbacher haben mir immer gesagt: \u201eDu hast so einen guten Sohn, er hat immer ein Lachen im Gesicht\u201c, erz\u00e4hlt sein Vater Selahattin G\u00fcb\u00fcz. \u201eEr hatte Tr\u00e4ume. Er hatte Pl\u00e4ne. Seine Freundin kommt uns jede Woche besuchen, seit Sedat tot ist. Sie wollten heiraten und eine Familie gr\u00fcnden\u201c, berichtet seine Mutter Emis G\u00fcrb\u00fcz\n\nSaid Nesar Hashemi, 21 Jahre alt, war gelernter Maschinen- und Anlagenf\u00fchrer. Im n\u00e4chsten Jahr wollte er seine Weiterbildung zum staatlich gepr\u00fcften Techniker abschlie\u00dfen. \u201eHanau ist unsere Heimat. Auch mein Bruder hat diese Stadt geliebt\u201d, sagt seine Schwester Saida Hashemi. Das Kennzeichen seines Autos endete auf 454 \u2013 Ziffern der Kesselst\u00e4dter Postleitzahl. Als friedlichen, hilfsbereiten und herzlichen Menschen beschreiben ihn seine Verwandten und Freunde. Er \u201ehatte immer ein offenes Ohr\u201c und l\u00e4chelte viel, wie auf den Fotos zu sehen ist. \u201eWenn sich zwei stritten, ging er dazwischen und schlichtete\u201c, blickt sein Bruder Said Etris Hashemi zur\u00fcck. Am 19.02.2020 wurde er beim rassistischen Anschlag in Hanau ermordet.\n\nDie 35-j\u00e4hrige Romni Mercedes Kierpacz war Mutter zweier Kinder. \u201eSie war sehr offen und sympathisch. Man hat sich in ihrer N\u00e4he sofort wohlgef\u00fchlt\u201c,\u00a0sagte ihre Freundin Jade M.\u00a0Kierpacz arbeitete im Kiosk neben der\u00a0Arena Bar, am Abend des 19. Februar wollte sie dort aber\u00a0nur etwas kaufen, als der T\u00e4ter von Hanau sie ermordete. Ihr Vater Filip Goman\u00a0beschreibt\u00a0sie als f\u00fcrsorglichen Menschen: \u201eSie hat sich immer um alle gek\u00fcmmert, sie wollte immer wissen, wer was macht, wo wer ist, warum jemand nicht zum Essen kam. Sie hat auch gern die Musik laut gedreht und getanzt. Allein, f\u00fcr sich, einfach so. So jemand will nicht sterben.\u201c\n\nHamza Kurtovi\u0107 hatte seine Berufsausbildung als Fachlagerist im Juni 2019 abgeschlossen. Drei Wochen vor seiner Ermordung begann der 22-J\u00e4hrige einen neuen Job, mit dem er \u00fcbergl\u00fccklich war. Bis zur Rente wolle er dort arbeiten, sagte er zu seinen Eltern. Kurtovi\u0107 verbrachte gern Zeit mit Freund*innen. 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Um sie zu unterst\u00fctzen, stellte er seine Ausbildung als Fliesenleger zur\u00fcck und arbeitete als Paketzusteller.\u00a0Seine Eltern\u00a0beschreiben\u00a0ihn als fr\u00f6hlichen, hilfsbereiten und flei\u00dfigen Menschen. Seine Mutter Iulia P\u0103un erz\u00e4hlt \u00fcber ihn: \u201eVili konnte viele Sprachen, Italienisch, Franz\u00f6sisch, Spanisch. Er wollte eigentlich studieren\u201c. Vili-Viorel war ihr einziges Kind. Er wurde am 19.02.2020 von einem Rassisten in Hanau ermordet.\n\nFatih Sara\u00e7o\u011flu wurde im t\u00fcrkischen Iskilip geboren. Er zog von Regensburg nach Hanau, um sich selbstst\u00e4ndig zu machen. Sein Vater beschreibt ihn mit den Worten: \u201eEr war meine gr\u00f6\u00dfte Hilfe.\u201c Fatih Sara\u00e7o\u011flu besuchte ihn regelm\u00e4\u00dfig in Regensburg, half bei Beh\u00f6rdeng\u00e4ngen, \u00fcbersetzte f\u00fcr ihn. Sara\u00e7o\u011flu war 34 Jahre alt, als er am 19.2.2020 von einem Rassisten in Hanau ermordet wurde. Sein Bruder sagt \u00fcber ihn: \u201eEr war jemand, der viele Ideen hatte, der viel wollte. Er hat mich auch immer angetrieben, hat mich gefragt, was ich aus meinem Leben machen will. Aber Fatih wusste auch, wie man das Leben genie\u00dft. Wir sind gern zusammen trainieren gegangen, dann in die Sauna und hinterher gut Essen, Steak und so was.\u201c\n\nFerhat Unvar\u00a0hatte gerade seine Lehre als Heizungs- und Gasinstallateur abgeschlossen und war dabei, eine eigene Firma zu gr\u00fcnden, als ein Rassist ihn in der Hanauer Kesselstadt ermordete. Ferhat Unvar wurde 22 Jahre alt. Er stand auf Techno und Hip-Hop, traf sich oft mit Freund*innen in der Arena Bar. Und er hatte viele Pl\u00e4ne und Tr\u00e4ume, wie seine Familie berichtet.\u00a0Seine Mutter Serpil Temiz Unvar erz\u00e4hlt \u00fcber ihren Sohn: \u201eIn der Schule mochte Ferhat Mathematik. Zu Hause hat er sehr viel gelesen. Er hat sich f\u00fcr die Welt interessiert, f\u00fcr Menschen. Wenn er schon alle B\u00fccher gelesen hatte, die wir zu Hause hatten, hat er auch noch im Lexikon gebl\u00e4ttert. So einer war er.\u201c Er hatte kurdische Wurzeln.\n\nDer 33-j\u00e4hrige Kaloyan Velkov lebte erst seit zwei Jahren in Deutschland. Er war Wirt der Bar\u00a0La Vorte\u00a0neben der Shishabar\u00a0Midnight\u00a0und wollte seine Familie in Bulgarien durch seine Arbeit finanziell\u00a0unterst\u00fctzen. Der 33-J\u00e4hrige war orthodoxen Glaubens und wohnte in Erlensee. Er hinterl\u00e4sst seine Frau Harieta und den gemeinsamen achtj\u00e4hrigen Sohn. Seine Cousine Vaska Zlateva erinnert\u00a0sich an ihn als gl\u00fccklichen Menschen, der gerne in Deutschland gelebt hat: \u201eKaloyan hat immer alle gegr\u00fc\u00dft, hat mit den Leuten gelacht. Er wollte hier bleiben, er wollte gut Deutsch lernen, vielleicht irgendwann den Job wechseln und mehr Geld verdienen. Sich selbstst\u00e4ndig machen.\u201c\n\nInitiativen von Betroffenen\n\nWenige Tage nach der Tat, am 6. M\u00e4rz 2020, gr\u00fcndeten Angeh\u00f6rige der Todesopfer, \u00dcberlebende und Unterst\u00fctzter*innen die\u00a0 Initiative 19. Februar Hanau. Seitdem organisierte die Initiative Mahnwachen und Kundgebungen gegen das Vergessen an die Todesopfer und fordert Erinnerung, Gerechtigkeit, Aufkl\u00e4rung und Konsequenzen.\n\nAnfang Mai 2020 er\u00f6ffnete die Initiative einen \u201aRaum gegen das Vergessen\u2018 in Hanau f\u00fcr die Betroffenen, \u00dcberlebenden und solidarische Personen als Begegnungs- und Beratungszentrum.\n\nDie Bildungsinitiative Ferhat Unvar nahm am 14. November 2020 ihre Arbeit auf. Sie wurde initiiert und mitgegr\u00fcndet von Serpil Temiz, der Mutter von Ferhar Unvar. Sie m\u00f6chte damit vor allem antirassistische Bildung und Empowerment leisten und bietet dazu ein breites Angebot an.\n\nKritik an Beh\u00f6rden vor, w\u00e4hrend und nach der Tat\n\nSeit der Tat wird immer wieder Kritik an staatlichen Beh\u00f6rden formuliert. So wurde bekannt, dass sehr wahrscheinlich derselbe T\u00e4ter bereits im Jahr 2018 in Hanau-Kesselstadt Jugendliche rassistisch beleidigt und mit einem Sturmgewehr bedroht hat. Statt den fl\u00fcchtigen T\u00e4ter zu suchen, versuchten die Beamt*innen damals den Anrufer des Notrufs auszumachen, da dieser den Einsatz zu zahlen habe.\n\nW\u00e4hrend der Tat riefen viele Zeug*innen den Polizeinotruf an, erreichten aber niemanden. Wie im Januar 2021 Recherchen offenbarten, konnten zum Zeitpunkt der Tat die Notrufe nur an zwei Apparaten entgegengenommen werden. Doch anscheinend waren nicht einmal diese beiden durchg\u00e4ngig besetzt und eine Rufumleitung zu einer Leitstelle nicht eingerichtet. So wurden viele Hinweise nicht geh\u00f6rt, die wom\u00f6glich zur Verhinderung der Morde am zweiten Tatort beitragen h\u00e4tten k\u00f6nnen.\n\nAm zweiten Tatort, der Arena-Bar, war zum Tatzeitpunkt der Notausgang verschlossen. 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Im n\u00e4chsten Jahr wollte er seine Weiterbildung zum staatlich gepr\u00fcften Techniker abschlie\u00dfen. \u201eHanau ist unsere Heimat. Auch mein Bruder hat diese Stadt geliebt\u201d, sagt seine Schwester Saida Hashemi. Das Kennzeichen seines Autos endete auf 454 \u2013 Ziffern der Kesselst\u00e4dter Postleitzahl. Als friedlichen, hilfsbereiten und herzlichen Menschen beschreiben ihn seine Verwandten und Freunde. Er \u201ehatte immer ein offenes Ohr\u201c und l\u00e4chelte viel, wie auf den Fotos zu sehen ist. \u201eWenn sich zwei stritten, ging er dazwischen und schlichtete\u201c, blickt sein Bruder Said Etris Hashemi zur\u00fcck. Am 19.02.2020 wurde er beim rassistischen Anschlag in Hanau ermordet.\n\nDie 35-j\u00e4hrige Romni Mercedes Kierpacz war Mutter zweier Kinder. \u201eSie war sehr offen und sympathisch. Man hat sich in ihrer N\u00e4he sofort wohlgef\u00fchlt\u201c,\u00a0sagte ihre Freundin Jade M.\u00a0Kierpacz arbeitete im Kiosk neben der\u00a0Arena Bar, am Abend des 19. Februar wollte sie dort aber\u00a0nur etwas kaufen, als der T\u00e4ter von Hanau sie ermordete. Ihr Vater Filip Goman\u00a0beschreibt\u00a0sie als f\u00fcrsorglichen Menschen: \u201eSie hat sich immer um alle gek\u00fcmmert, sie wollte immer wissen, wer was macht, wo wer ist, warum jemand nicht zum Essen kam. Sie hat auch gern die Musik laut gedreht und getanzt. Allein, f\u00fcr sich, einfach so. So jemand will nicht sterben.\u201c\n\nHamza Kurtovi\u0107 hatte seine Berufsausbildung als Fachlagerist im Juni 2019 abgeschlossen. Drei Wochen vor seiner Ermordung begann der 22-J\u00e4hrige einen neuen Job, mit dem er \u00fcbergl\u00fccklich war. Bis zur Rente wolle er dort arbeiten, sagte er zu seinen Eltern. Kurtovi\u0107 verbrachte gern Zeit mit Freund*innen. 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Sein Bruder sagt \u00fcber ihn: \u201eEr war jemand, der viele Ideen hatte, der viel wollte. Er hat mich auch immer angetrieben, hat mich gefragt, was ich aus meinem Leben machen will. Aber Fatih wusste auch, wie man das Leben genie\u00dft. Wir sind gern zusammen trainieren gegangen, dann in die Sauna und hinterher gut Essen, Steak und so was.\u201c\n\nFerhat Unvar\u00a0hatte gerade seine Lehre als Heizungs- und Gasinstallateur abgeschlossen und war dabei, eine eigene Firma zu gr\u00fcnden, als ein Rassist ihn in der Hanauer Kesselstadt ermordete. Ferhat Unvar wurde 22 Jahre alt. Er stand auf Techno und Hip-Hop, traf sich oft mit Freund*innen in der Arena Bar. Und er hatte viele Pl\u00e4ne und Tr\u00e4ume, wie seine Familie berichtet.\u00a0Seine Mutter Serpil Temiz Unvar erz\u00e4hlt \u00fcber ihren Sohn: \u201eIn der Schule mochte Ferhat Mathematik. Zu Hause hat er sehr viel gelesen. Er hat sich f\u00fcr die Welt interessiert, f\u00fcr Menschen. Wenn er schon alle B\u00fccher gelesen hatte, die wir zu Hause hatten, hat er auch noch im Lexikon gebl\u00e4ttert. So einer war er.\u201c Er hatte kurdische Wurzeln.\n\nDer 33-j\u00e4hrige Kaloyan Velkov lebte erst seit zwei Jahren in Deutschland. Er war Wirt der Bar\u00a0La Vorte\u00a0neben der Shishabar\u00a0Midnight\u00a0und wollte seine Familie in Bulgarien durch seine Arbeit finanziell\u00a0unterst\u00fctzen. Der 33-J\u00e4hrige war orthodoxen Glaubens und wohnte in Erlensee. Er hinterl\u00e4sst seine Frau Harieta und den gemeinsamen achtj\u00e4hrigen Sohn. Seine Cousine Vaska Zlateva erinnert\u00a0sich an ihn als gl\u00fccklichen Menschen, der gerne in Deutschland gelebt hat: \u201eKaloyan hat immer alle gegr\u00fc\u00dft, hat mit den Leuten gelacht. Er wollte hier bleiben, er wollte gut Deutsch lernen, vielleicht irgendwann den Job wechseln und mehr Geld verdienen. Sich selbstst\u00e4ndig machen.\u201c\n\nInitiativen von Betroffenen\n\nWenige Tage nach der Tat, am 6. M\u00e4rz 2020, gr\u00fcndeten Angeh\u00f6rige der Todesopfer, \u00dcberlebende und Unterst\u00fctzter*innen die\u00a0 Initiative 19. Februar Hanau. Seitdem organisierte die Initiative Mahnwachen und Kundgebungen gegen das Vergessen an die Todesopfer und fordert Erinnerung, Gerechtigkeit, Aufkl\u00e4rung und Konsequenzen.\n\nAnfang Mai 2020 er\u00f6ffnete die Initiative einen \u201aRaum gegen das Vergessen\u2018 in Hanau f\u00fcr die Betroffenen, \u00dcberlebenden und solidarische Personen als Begegnungs- und Beratungszentrum.\n\nDie Bildungsinitiative Ferhat Unvar nahm am 14. November 2020 ihre Arbeit auf. Sie wurde initiiert und mitgegr\u00fcndet von Serpil Temiz, der Mutter von Ferhar Unvar. Sie m\u00f6chte damit vor allem antirassistische Bildung und Empowerment leisten und bietet dazu ein breites Angebot an.\n\nKritik an Beh\u00f6rden vor, w\u00e4hrend und nach der Tat\n\nSeit der Tat wird immer wieder Kritik an staatlichen Beh\u00f6rden formuliert. So wurde bekannt, dass sehr wahrscheinlich derselbe T\u00e4ter bereits im Jahr 2018 in Hanau-Kesselstadt Jugendliche rassistisch beleidigt und mit einem Sturmgewehr bedroht hat. Statt den fl\u00fcchtigen T\u00e4ter zu suchen, versuchten die Beamt*innen damals den Anrufer des Notrufs auszumachen, da dieser den Einsatz zu zahlen habe.\n\nW\u00e4hrend der Tat riefen viele Zeug*innen den Polizeinotruf an, erreichten aber niemanden. Wie im Januar 2021 Recherchen offenbarten, konnten zum Zeitpunkt der Tat die Notrufe nur an zwei Apparaten entgegengenommen werden. Doch anscheinend waren nicht einmal diese beiden durchg\u00e4ngig besetzt und eine Rufumleitung zu einer Leitstelle nicht eingerichtet. So wurden viele Hinweise nicht geh\u00f6rt, die wom\u00f6glich zur Verhinderung der Morde am zweiten Tatort beitragen h\u00e4tten k\u00f6nnen.\n\nAm zweiten Tatort, der Arena-Bar, war zum Tatzeitpunkt der Notausgang verschlossen. 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Unter dem Motto #saytheirnames wird eine Erinnerung an die grausame Tat gefordert, die die Opfer als Menschen sichtbar macht, statt den T\u00e4ter in den Vordergrund zu r\u00fccken.\n\nG\u00f6khan G\u00fcltekin stammte aus einer kurdischen Familie und war 37 Jahre, als er von einem Rassisten in Hanau ermordet wurde. In Kesselstadt wurde er der \u201ebunte Hund\u201c\u00a0genannt. Sein Vater\u00a0sagte, er sei \u201eder Besonnene und Flei\u00dfige in der Familie gewesen\u201c. G\u00f6khan G\u00fcltekin war gelernter Maurer. Abends arbeitete er nebenberuflich in einem Caf\u00e9-Kiosk.\u00a0Er war ein hilfsbereiter Familienmensch und immer da, wenn er gebraucht wurde. Sein Bruder \u00c7etin G\u00fcltekin\u00a0sagte\u00a0\u00fcber ihn: \u201eMein Bruder hat unsere Familie zusammengehalten. 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Das 24-seitige Dokument dr\u00fcckt den Hass des T\u00e4ters auf Muslim*innen und seine sozialdarwinistischen Rassevorstellungen aus.\n\n#saytheirnames\n\nDer Anschlag von Hanau hat bundesweit Entsetzen, Trauer und Solidarit\u00e4t hervorgerufen. Etwa 6.000 Menschen folgten dem Aufruf \u201eSolidarit\u00e4t statt Spaltung\u201c und demonstrierten am Samstag nach der Tat in Hanau gegen Rassismus und Menschenverachtung. In vielen weiteren deutschen St\u00e4dten kam es zu Kundgebungen und Demonstrationen.\n\nDie Opfer wurden nicht zuf\u00e4llig ausgew\u00e4hlt, sondern wegen ihrer realen oder vermeintlichen Migrationsgeschichte. Hinter den Namen stehen individuelle Schicksale, Geschichten und Biografien. Unter dem Motto #saytheirnames wird eine Erinnerung an die grausame Tat gefordert, die die Opfer als Menschen sichtbar macht, statt den T\u00e4ter in den Vordergrund zu r\u00fccken.\n\nG\u00f6khan G\u00fcltekin stammte aus einer kurdischen Familie und war 37 Jahre, als er von einem Rassisten in Hanau ermordet wurde. In Kesselstadt wurde er der \u201ebunte Hund\u201c\u00a0genannt. Sein Vater\u00a0sagte, er sei \u201eder Besonnene und Flei\u00dfige in der Familie gewesen\u201c. G\u00f6khan G\u00fcltekin war gelernter Maurer. Abends arbeitete er nebenberuflich in einem Caf\u00e9-Kiosk.\u00a0Er war ein hilfsbereiter Familienmensch und immer da, wenn er gebraucht wurde. Sein Bruder \u00c7etin G\u00fcltekin\u00a0sagte\u00a0\u00fcber ihn: \u201eMein Bruder hat unsere Familie zusammengehalten. Es m\u00fcsste mir peinlich sein, er war acht Jahre j\u00fcnger als ich, aber er hat sich um alles gek\u00fcmmert, er war unser Optimist\u201c.\n\nSedat G\u00fcrb\u00fcz war 29 Jahre alt, als er von einem Rassisten in Hanau ermordet wurde. Er lebte bei seinen Eltern in Dietzenbach, wo er auch aufgewachsen ist und viele Jahre im Verein Fu\u00dfball spielte. Er war Besitzer der Bar \u201cMidnight\u201d, mit der er sich einen lange ersehnten Traum erf\u00fcllt hat. Sedat war \u00fcberall beliebt. Die Dietzenbacher haben mir immer gesagt: \u201eDu hast so einen guten Sohn, er hat immer ein Lachen im Gesicht\u201c, erz\u00e4hlt sein Vater Selahattin G\u00fcb\u00fcz. \u201eEr hatte Tr\u00e4ume. Er hatte Pl\u00e4ne. Seine Freundin kommt uns jede Woche besuchen, seit Sedat tot ist. Sie wollten heiraten und eine Familie gr\u00fcnden\u201c, berichtet seine Mutter Emis G\u00fcrb\u00fcz\n\nSaid Nesar Hashemi, 21 Jahre alt, war gelernter Maschinen- und Anlagenf\u00fchrer. Im n\u00e4chsten Jahr wollte er seine Weiterbildung zum staatlich gepr\u00fcften Techniker abschlie\u00dfen. \u201eHanau ist unsere Heimat. Auch mein Bruder hat diese Stadt geliebt\u201d, sagt seine Schwester Saida Hashemi. Das Kennzeichen seines Autos endete auf 454 \u2013 Ziffern der Kesselst\u00e4dter Postleitzahl. Als friedlichen, hilfsbereiten und herzlichen Menschen beschreiben ihn seine Verwandten und Freunde. Er \u201ehatte immer ein offenes Ohr\u201c und l\u00e4chelte viel, wie auf den Fotos zu sehen ist. \u201eWenn sich zwei stritten, ging er dazwischen und schlichtete\u201c, blickt sein Bruder Said Etris Hashemi zur\u00fcck. Am 19.02.2020 wurde er beim rassistischen Anschlag in Hanau ermordet.\n\nDie 35-j\u00e4hrige Romni Mercedes Kierpacz war Mutter zweier Kinder. \u201eSie war sehr offen und sympathisch. Man hat sich in ihrer N\u00e4he sofort wohlgef\u00fchlt\u201c,\u00a0sagte ihre Freundin Jade M.\u00a0Kierpacz arbeitete im Kiosk neben der\u00a0Arena Bar, am Abend des 19. Februar wollte sie dort aber\u00a0nur etwas kaufen, als der T\u00e4ter von Hanau sie ermordete. Ihr Vater Filip Goman\u00a0beschreibt\u00a0sie als f\u00fcrsorglichen Menschen: \u201eSie hat sich immer um alle gek\u00fcmmert, sie wollte immer wissen, wer was macht, wo wer ist, warum jemand nicht zum Essen kam. Sie hat auch gern die Musik laut gedreht und getanzt. Allein, f\u00fcr sich, einfach so. So jemand will nicht sterben.\u201c\n\nHamza Kurtovi\u0107 hatte seine Berufsausbildung als Fachlagerist im Juni 2019 abgeschlossen. Drei Wochen vor seiner Ermordung begann der 22-J\u00e4hrige einen neuen Job, mit dem er \u00fcbergl\u00fccklich war. Bis zur Rente wolle er dort arbeiten, sagte er zu seinen Eltern. Kurtovi\u0107 verbrachte gern Zeit mit Freund*innen. Im Sommer vor dem Attentat hatte er seine Flugangst \u00fcberwunden und schmiedete mit seinen Freund*innen Pl\u00e4ne f\u00fcr gro\u00dfe Reisen.\u201cMein Bruder hat uns immer zum Lachen gebracht, war hilfsbereit und einf\u00fchlsam. Ihm war wichtig, dass es uns, seinen Liebsten, gut geht. Aber auch Menschen die er nicht kannte, waren ihm wichtig, so hat er sein erstes Azubigehalt f\u00fcr Menschen in Not gespendet\u201d, erz\u00e4hlt seine Schwester Ajla Kurtovi\u0107 \u00fcber ihn. Seine Familie stammt aus dem bosnischen Prijeder.\n\nVili-Viorel P\u0103un wurde 22 Jahre alt. Als 16-J\u00e4hriger kam er von Rum\u00e4nien nach Deutschland, da seine Mutter krank war und sich dort behandeln lassen wollte.\u00a0Seine Familie kam f\u00fcr ihn an\u00a0erster Stelle. Um sie zu unterst\u00fctzen, stellte er seine Ausbildung als Fliesenleger zur\u00fcck und arbeitete als Paketzusteller.\u00a0Seine Eltern\u00a0beschreiben\u00a0ihn als fr\u00f6hlichen, hilfsbereiten und flei\u00dfigen Menschen. Seine Mutter Iulia P\u0103un erz\u00e4hlt \u00fcber ihn: \u201eVili konnte viele Sprachen, Italienisch, Franz\u00f6sisch, Spanisch. Er wollte eigentlich studieren\u201c. Vili-Viorel war ihr einziges Kind. Er wurde am 19.02.2020 von einem Rassisten in Hanau ermordet.\n\nFatih Sara\u00e7o\u011flu wurde im t\u00fcrkischen Iskilip geboren. Er zog von Regensburg nach Hanau, um sich selbstst\u00e4ndig zu machen. Sein Vater beschreibt ihn mit den Worten: \u201eEr war meine gr\u00f6\u00dfte Hilfe.\u201c Fatih Sara\u00e7o\u011flu besuchte ihn regelm\u00e4\u00dfig in Regensburg, half bei Beh\u00f6rdeng\u00e4ngen, \u00fcbersetzte f\u00fcr ihn. Sara\u00e7o\u011flu war 34 Jahre alt, als er am 19.2.2020 von einem Rassisten in Hanau ermordet wurde. Sein Bruder sagt \u00fcber ihn: \u201eEr war jemand, der viele Ideen hatte, der viel wollte. Er hat mich auch immer angetrieben, hat mich gefragt, was ich aus meinem Leben machen will. Aber Fatih wusste auch, wie man das Leben genie\u00dft. Wir sind gern zusammen trainieren gegangen, dann in die Sauna und hinterher gut Essen, Steak und so was.\u201c\n\nFerhat Unvar\u00a0hatte gerade seine Lehre als Heizungs- und Gasinstallateur abgeschlossen und war dabei, eine eigene Firma zu gr\u00fcnden, als ein Rassist ihn in der Hanauer Kesselstadt ermordete. Ferhat Unvar wurde 22 Jahre alt. Er stand auf Techno und Hip-Hop, traf sich oft mit Freund*innen in der Arena Bar. Und er hatte viele Pl\u00e4ne und Tr\u00e4ume, wie seine Familie berichtet.\u00a0Seine Mutter Serpil Temiz Unvar erz\u00e4hlt \u00fcber ihren Sohn: \u201eIn der Schule mochte Ferhat Mathematik. Zu Hause hat er sehr viel gelesen. Er hat sich f\u00fcr die Welt interessiert, f\u00fcr Menschen. Wenn er schon alle B\u00fccher gelesen hatte, die wir zu Hause hatten, hat er auch noch im Lexikon gebl\u00e4ttert. So einer war er.\u201c Er hatte kurdische Wurzeln.\n\nDer 33-j\u00e4hrige Kaloyan Velkov lebte erst seit zwei Jahren in Deutschland. Er war Wirt der Bar\u00a0La Vorte\u00a0neben der Shishabar\u00a0Midnight\u00a0und wollte seine Familie in Bulgarien durch seine Arbeit finanziell\u00a0unterst\u00fctzen. Der 33-J\u00e4hrige war orthodoxen Glaubens und wohnte in Erlensee. Er hinterl\u00e4sst seine Frau Harieta und den gemeinsamen achtj\u00e4hrigen Sohn. Seine Cousine Vaska Zlateva erinnert\u00a0sich an ihn als gl\u00fccklichen Menschen, der gerne in Deutschland gelebt hat: \u201eKaloyan hat immer alle gegr\u00fc\u00dft, hat mit den Leuten gelacht. Er wollte hier bleiben, er wollte gut Deutsch lernen, vielleicht irgendwann den Job wechseln und mehr Geld verdienen. Sich selbstst\u00e4ndig machen.\u201c\n\nInitiativen von Betroffenen\n\nWenige Tage nach der Tat, am 6. M\u00e4rz 2020, gr\u00fcndeten Angeh\u00f6rige der Todesopfer, \u00dcberlebende und Unterst\u00fctzter*innen die\u00a0 Initiative 19. Februar Hanau. Seitdem organisierte die Initiative Mahnwachen und Kundgebungen gegen das Vergessen an die Todesopfer und fordert Erinnerung, Gerechtigkeit, Aufkl\u00e4rung und Konsequenzen.\n\nAnfang Mai 2020 er\u00f6ffnete die Initiative einen \u201aRaum gegen das Vergessen\u2018 in Hanau f\u00fcr die Betroffenen, \u00dcberlebenden und solidarische Personen als Begegnungs- und Beratungszentrum.\n\nDie Bildungsinitiative Ferhat Unvar nahm am 14. November 2020 ihre Arbeit auf. Sie wurde initiiert und mitgegr\u00fcndet von Serpil Temiz, der Mutter von Ferhar Unvar. Sie m\u00f6chte damit vor allem antirassistische Bildung und Empowerment leisten und bietet dazu ein breites Angebot an.\n\nKritik an Beh\u00f6rden vor, w\u00e4hrend und nach der Tat\n\nSeit der Tat wird immer wieder Kritik an staatlichen Beh\u00f6rden formuliert. So wurde bekannt, dass sehr wahrscheinlich derselbe T\u00e4ter bereits im Jahr 2018 in Hanau-Kesselstadt Jugendliche rassistisch beleidigt und mit einem Sturmgewehr bedroht hat. Statt den fl\u00fcchtigen T\u00e4ter zu suchen, versuchten die Beamt*innen damals den Anrufer des Notrufs auszumachen, da dieser den Einsatz zu zahlen habe.\n\nW\u00e4hrend der Tat riefen viele Zeug*innen den Polizeinotruf an, erreichten aber niemanden. Wie im Januar 2021 Recherchen offenbarten, konnten zum Zeitpunkt der Tat die Notrufe nur an zwei Apparaten entgegengenommen werden. Doch anscheinend waren nicht einmal diese beiden durchg\u00e4ngig besetzt und eine Rufumleitung zu einer Leitstelle nicht eingerichtet. So wurden viele Hinweise nicht geh\u00f6rt, die wom\u00f6glich zur Verhinderung der Morde am zweiten Tatort beitragen h\u00e4tten k\u00f6nnen.\n\nAm zweiten Tatort, der Arena-Bar, war zum Tatzeitpunkt der Notausgang verschlossen. Die G\u00e4ste sa\u00dfen in der Falle und konnten also nicht vor dem Attent\u00e4ter fliehen. Im Dezember 2020 stellten Angeh\u00f6rige frustriert Strafanzeige gegen Unbekannt. Erst seitdem ist der verschlossene Notausgang Gegenstand der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft.\n\nFast ein Jahr nach dem rassistischen Terroranschlag ver\u00f6ffentliche die Initiative 19. Februar Hanau am 14. Februar 2021 ein Video mit einer Anklage. 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Dort t\u00f6tete er G\u00f6khan G\u00fcltekin, Mercedes Kierpacz und Ferhat Unvar. In der Bar schoss der T\u00e4ter auf mehrere junge M\u00e4nner, Said Nesar Hashemi starb noch am Tatort. Hamza Kurtovi\u0107 wurde schwer verletzt und starb im Krankenhaus. Weitere wurden verletzt, einer davon schwer.\n\nPamphlet offenbart rechtsextremes und verschw\u00f6rungstheoretisches Weltbild\n\nDie Generalbundesanwaltschaft ermittelt wegen Terrorverdachts. Ihr zufolge \u201eliegen gravierende Indizien f\u00fcr einen rassistischen Hintergrund der Tat vor\u201c. Grundlage f\u00fcr diese Einordnung ist unter anderem ein \u201eSkript\u201c, das der 42-j\u00e4hrige T\u00e4ter im Internet ver\u00f6ffentlichte. Darin vermischen sich antisemitische, verschw\u00f6rungsideologische Ideen mit rassistischen Vernichtungsfantasien. 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Unter dem Motto #saytheirnames wird eine Erinnerung an die grausame Tat gefordert, die die Opfer als Menschen sichtbar macht, statt den T\u00e4ter in den Vordergrund zu r\u00fccken.\n\nG\u00f6khan G\u00fcltekin stammte aus einer kurdischen Familie und war 37 Jahre, als er von einem Rassisten in Hanau ermordet wurde. In Kesselstadt wurde er der \u201ebunte Hund\u201c\u00a0genannt. Sein Vater\u00a0sagte, er sei \u201eder Besonnene und Flei\u00dfige in der Familie gewesen\u201c. G\u00f6khan G\u00fcltekin war gelernter Maurer. Abends arbeitete er nebenberuflich in einem Caf\u00e9-Kiosk.\u00a0Er war ein hilfsbereiter Familienmensch und immer da, wenn er gebraucht wurde. Sein Bruder \u00c7etin G\u00fcltekin\u00a0sagte\u00a0\u00fcber ihn: \u201eMein Bruder hat unsere Familie zusammengehalten. Es m\u00fcsste mir peinlich sein, er war acht Jahre j\u00fcnger als ich, aber er hat sich um alles gek\u00fcmmert, er war unser Optimist\u201c.\n\nSedat G\u00fcrb\u00fcz war 29 Jahre alt, als er von einem Rassisten in Hanau ermordet wurde. Er lebte bei seinen Eltern in Dietzenbach, wo er auch aufgewachsen ist und viele Jahre im Verein Fu\u00dfball spielte. Er war Besitzer der Bar \u201cMidnight\u201d, mit der er sich einen lange ersehnten Traum erf\u00fcllt hat. Sedat war \u00fcberall beliebt. Die Dietzenbacher haben mir immer gesagt: \u201eDu hast so einen guten Sohn, er hat immer ein Lachen im Gesicht\u201c, erz\u00e4hlt sein Vater Selahattin G\u00fcb\u00fcz. \u201eEr hatte Tr\u00e4ume. Er hatte Pl\u00e4ne. Seine Freundin kommt uns jede Woche besuchen, seit Sedat tot ist. Sie wollten heiraten und eine Familie gr\u00fcnden\u201c, berichtet seine Mutter Emis G\u00fcrb\u00fcz\n\nSaid Nesar Hashemi, 21 Jahre alt, war gelernter Maschinen- und Anlagenf\u00fchrer. Im n\u00e4chsten Jahr wollte er seine Weiterbildung zum staatlich gepr\u00fcften Techniker abschlie\u00dfen. \u201eHanau ist unsere Heimat. Auch mein Bruder hat diese Stadt geliebt\u201d, sagt seine Schwester Saida Hashemi. Das Kennzeichen seines Autos endete auf 454 \u2013 Ziffern der Kesselst\u00e4dter Postleitzahl. Als friedlichen, hilfsbereiten und herzlichen Menschen beschreiben ihn seine Verwandten und Freunde. Er \u201ehatte immer ein offenes Ohr\u201c und l\u00e4chelte viel, wie auf den Fotos zu sehen ist. \u201eWenn sich zwei stritten, ging er dazwischen und schlichtete\u201c, blickt sein Bruder Said Etris Hashemi zur\u00fcck. Am 19.02.2020 wurde er beim rassistischen Anschlag in Hanau ermordet.\n\nDie 35-j\u00e4hrige Romni Mercedes Kierpacz war Mutter zweier Kinder. \u201eSie war sehr offen und sympathisch. Man hat sich in ihrer N\u00e4he sofort wohlgef\u00fchlt\u201c,\u00a0sagte ihre Freundin Jade M.\u00a0Kierpacz arbeitete im Kiosk neben der\u00a0Arena Bar, am Abend des 19. Februar wollte sie dort aber\u00a0nur etwas kaufen, als der T\u00e4ter von Hanau sie ermordete. Ihr Vater Filip Goman\u00a0beschreibt\u00a0sie als f\u00fcrsorglichen Menschen: \u201eSie hat sich immer um alle gek\u00fcmmert, sie wollte immer wissen, wer was macht, wo wer ist, warum jemand nicht zum Essen kam. Sie hat auch gern die Musik laut gedreht und getanzt. Allein, f\u00fcr sich, einfach so. So jemand will nicht sterben.\u201c\n\nHamza Kurtovi\u0107 hatte seine Berufsausbildung als Fachlagerist im Juni 2019 abgeschlossen. Drei Wochen vor seiner Ermordung begann der 22-J\u00e4hrige einen neuen Job, mit dem er \u00fcbergl\u00fccklich war. Bis zur Rente wolle er dort arbeiten, sagte er zu seinen Eltern. Kurtovi\u0107 verbrachte gern Zeit mit Freund*innen. 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Um sie zu unterst\u00fctzen, stellte er seine Ausbildung als Fliesenleger zur\u00fcck und arbeitete als Paketzusteller.\u00a0Seine Eltern\u00a0beschreiben\u00a0ihn als fr\u00f6hlichen, hilfsbereiten und flei\u00dfigen Menschen. Seine Mutter Iulia P\u0103un erz\u00e4hlt \u00fcber ihn: \u201eVili konnte viele Sprachen, Italienisch, Franz\u00f6sisch, Spanisch. Er wollte eigentlich studieren\u201c. Vili-Viorel war ihr einziges Kind. Er wurde am 19.02.2020 von einem Rassisten in Hanau ermordet.\n\nFatih Sara\u00e7o\u011flu wurde im t\u00fcrkischen Iskilip geboren. Er zog von Regensburg nach Hanau, um sich selbstst\u00e4ndig zu machen. Sein Vater beschreibt ihn mit den Worten: \u201eEr war meine gr\u00f6\u00dfte Hilfe.\u201c Fatih Sara\u00e7o\u011flu besuchte ihn regelm\u00e4\u00dfig in Regensburg, half bei Beh\u00f6rdeng\u00e4ngen, \u00fcbersetzte f\u00fcr ihn. Sara\u00e7o\u011flu war 34 Jahre alt, als er am 19.2.2020 von einem Rassisten in Hanau ermordet wurde. Sein Bruder sagt \u00fcber ihn: \u201eEr war jemand, der viele Ideen hatte, der viel wollte. Er hat mich auch immer angetrieben, hat mich gefragt, was ich aus meinem Leben machen will. Aber Fatih wusste auch, wie man das Leben genie\u00dft. Wir sind gern zusammen trainieren gegangen, dann in die Sauna und hinterher gut Essen, Steak und so was.\u201c\n\nFerhat Unvar\u00a0hatte gerade seine Lehre als Heizungs- und Gasinstallateur abgeschlossen und war dabei, eine eigene Firma zu gr\u00fcnden, als ein Rassist ihn in der Hanauer Kesselstadt ermordete. Ferhat Unvar wurde 22 Jahre alt. Er stand auf Techno und Hip-Hop, traf sich oft mit Freund*innen in der Arena Bar. Und er hatte viele Pl\u00e4ne und Tr\u00e4ume, wie seine Familie berichtet.\u00a0Seine Mutter Serpil Temiz Unvar erz\u00e4hlt \u00fcber ihren Sohn: \u201eIn der Schule mochte Ferhat Mathematik. Zu Hause hat er sehr viel gelesen. Er hat sich f\u00fcr die Welt interessiert, f\u00fcr Menschen. Wenn er schon alle B\u00fccher gelesen hatte, die wir zu Hause hatten, hat er auch noch im Lexikon gebl\u00e4ttert. So einer war er.\u201c Er hatte kurdische Wurzeln.\n\nDer 33-j\u00e4hrige Kaloyan Velkov lebte erst seit zwei Jahren in Deutschland. Er war Wirt der Bar\u00a0La Vorte\u00a0neben der Shishabar\u00a0Midnight\u00a0und wollte seine Familie in Bulgarien durch seine Arbeit finanziell\u00a0unterst\u00fctzen. Der 33-J\u00e4hrige war orthodoxen Glaubens und wohnte in Erlensee. Er hinterl\u00e4sst seine Frau Harieta und den gemeinsamen achtj\u00e4hrigen Sohn. Seine Cousine Vaska Zlateva erinnert\u00a0sich an ihn als gl\u00fccklichen Menschen, der gerne in Deutschland gelebt hat: \u201eKaloyan hat immer alle gegr\u00fc\u00dft, hat mit den Leuten gelacht. Er wollte hier bleiben, er wollte gut Deutsch lernen, vielleicht irgendwann den Job wechseln und mehr Geld verdienen. Sich selbstst\u00e4ndig machen.\u201c\n\nInitiativen von Betroffenen\n\nWenige Tage nach der Tat, am 6. 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So wurde bekannt, dass sehr wahrscheinlich derselbe T\u00e4ter bereits im Jahr 2018 in Hanau-Kesselstadt Jugendliche rassistisch beleidigt und mit einem Sturmgewehr bedroht hat. Statt den fl\u00fcchtigen T\u00e4ter zu suchen, versuchten die Beamt*innen damals den Anrufer des Notrufs auszumachen, da dieser den Einsatz zu zahlen habe.\n\nW\u00e4hrend der Tat riefen viele Zeug*innen den Polizeinotruf an, erreichten aber niemanden. Wie im Januar 2021 Recherchen offenbarten, konnten zum Zeitpunkt der Tat die Notrufe nur an zwei Apparaten entgegengenommen werden. Doch anscheinend waren nicht einmal diese beiden durchg\u00e4ngig besetzt und eine Rufumleitung zu einer Leitstelle nicht eingerichtet. So wurden viele Hinweise nicht geh\u00f6rt, die wom\u00f6glich zur Verhinderung der Morde am zweiten Tatort beitragen h\u00e4tten k\u00f6nnen.\n\nAm zweiten Tatort, der Arena-Bar, war zum Tatzeitpunkt der Notausgang verschlossen. 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Das 24-seitige Dokument dr\u00fcckt den Hass des T\u00e4ters auf Muslim*innen und seine sozialdarwinistischen Rassevorstellungen aus.\n\n#saytheirnames\n\nDer Anschlag von Hanau hat bundesweit Entsetzen, Trauer und Solidarit\u00e4t hervorgerufen. Etwa 6.000 Menschen folgten dem Aufruf \u201eSolidarit\u00e4t statt Spaltung\u201c und demonstrierten am Samstag nach der Tat in Hanau gegen Rassismus und Menschenverachtung. In vielen weiteren deutschen St\u00e4dten kam es zu Kundgebungen und Demonstrationen.\n\nDie Opfer wurden nicht zuf\u00e4llig ausgew\u00e4hlt, sondern wegen ihrer realen oder vermeintlichen Migrationsgeschichte. Hinter den Namen stehen individuelle Schicksale, Geschichten und Biografien. Unter dem Motto #saytheirnames wird eine Erinnerung an die grausame Tat gefordert, die die Opfer als Menschen sichtbar macht, statt den T\u00e4ter in den Vordergrund zu r\u00fccken.\n\nG\u00f6khan G\u00fcltekin stammte aus einer kurdischen Familie und war 37 Jahre, als er von einem Rassisten in Hanau ermordet wurde. In Kesselstadt wurde er der \u201ebunte Hund\u201c\u00a0genannt. Sein Vater\u00a0sagte, er sei \u201eder Besonnene und Flei\u00dfige in der Familie gewesen\u201c. G\u00f6khan G\u00fcltekin war gelernter Maurer. Abends arbeitete er nebenberuflich in einem Caf\u00e9-Kiosk.\u00a0Er war ein hilfsbereiter Familienmensch und immer da, wenn er gebraucht wurde. Sein Bruder \u00c7etin G\u00fcltekin\u00a0sagte\u00a0\u00fcber ihn: \u201eMein Bruder hat unsere Familie zusammengehalten. Es m\u00fcsste mir peinlich sein, er war acht Jahre j\u00fcnger als ich, aber er hat sich um alles gek\u00fcmmert, er war unser Optimist\u201c.\n\nSedat G\u00fcrb\u00fcz war 29 Jahre alt, als er von einem Rassisten in Hanau ermordet wurde. Er lebte bei seinen Eltern in Dietzenbach, wo er auch aufgewachsen ist und viele Jahre im Verein Fu\u00dfball spielte. Er war Besitzer der Bar \u201cMidnight\u201d, mit der er sich einen lange ersehnten Traum erf\u00fcllt hat. Sedat war \u00fcberall beliebt. Die Dietzenbacher haben mir immer gesagt: \u201eDu hast so einen guten Sohn, er hat immer ein Lachen im Gesicht\u201c, erz\u00e4hlt sein Vater Selahattin G\u00fcb\u00fcz. \u201eEr hatte Tr\u00e4ume. Er hatte Pl\u00e4ne. Seine Freundin kommt uns jede Woche besuchen, seit Sedat tot ist. Sie wollten heiraten und eine Familie gr\u00fcnden\u201c, berichtet seine Mutter Emis G\u00fcrb\u00fcz\n\nSaid Nesar Hashemi, 21 Jahre alt, war gelernter Maschinen- und Anlagenf\u00fchrer. Im n\u00e4chsten Jahr wollte er seine Weiterbildung zum staatlich gepr\u00fcften Techniker abschlie\u00dfen. \u201eHanau ist unsere Heimat. Auch mein Bruder hat diese Stadt geliebt\u201d, sagt seine Schwester Saida Hashemi. Das Kennzeichen seines Autos endete auf 454 \u2013 Ziffern der Kesselst\u00e4dter Postleitzahl. Als friedlichen, hilfsbereiten und herzlichen Menschen beschreiben ihn seine Verwandten und Freunde. Er \u201ehatte immer ein offenes Ohr\u201c und l\u00e4chelte viel, wie auf den Fotos zu sehen ist. \u201eWenn sich zwei stritten, ging er dazwischen und schlichtete\u201c, blickt sein Bruder Said Etris Hashemi zur\u00fcck. Am 19.02.2020 wurde er beim rassistischen Anschlag in Hanau ermordet.\n\nDie 35-j\u00e4hrige Romni Mercedes Kierpacz war Mutter zweier Kinder. \u201eSie war sehr offen und sympathisch. Man hat sich in ihrer N\u00e4he sofort wohlgef\u00fchlt\u201c,\u00a0sagte ihre Freundin Jade M.\u00a0Kierpacz arbeitete im Kiosk neben der\u00a0Arena Bar, am Abend des 19. Februar wollte sie dort aber\u00a0nur etwas kaufen, als der T\u00e4ter von Hanau sie ermordete. Ihr Vater Filip Goman\u00a0beschreibt\u00a0sie als f\u00fcrsorglichen Menschen: \u201eSie hat sich immer um alle gek\u00fcmmert, sie wollte immer wissen, wer was macht, wo wer ist, warum jemand nicht zum Essen kam. Sie hat auch gern die Musik laut gedreht und getanzt. Allein, f\u00fcr sich, einfach so. So jemand will nicht sterben.\u201c\n\nHamza Kurtovi\u0107 hatte seine Berufsausbildung als Fachlagerist im Juni 2019 abgeschlossen. Drei Wochen vor seiner Ermordung begann der 22-J\u00e4hrige einen neuen Job, mit dem er \u00fcbergl\u00fccklich war. Bis zur Rente wolle er dort arbeiten, sagte er zu seinen Eltern. Kurtovi\u0107 verbrachte gern Zeit mit Freund*innen. Im Sommer vor dem Attentat hatte er seine Flugangst \u00fcberwunden und schmiedete mit seinen Freund*innen Pl\u00e4ne f\u00fcr gro\u00dfe Reisen.\u201cMein Bruder hat uns immer zum Lachen gebracht, war hilfsbereit und einf\u00fchlsam. Ihm war wichtig, dass es uns, seinen Liebsten, gut geht. Aber auch Menschen die er nicht kannte, waren ihm wichtig, so hat er sein erstes Azubigehalt f\u00fcr Menschen in Not gespendet\u201d, erz\u00e4hlt seine Schwester Ajla Kurtovi\u0107 \u00fcber ihn. Seine Familie stammt aus dem bosnischen Prijeder.\n\nVili-Viorel P\u0103un wurde 22 Jahre alt. Als 16-J\u00e4hriger kam er von Rum\u00e4nien nach Deutschland, da seine Mutter krank war und sich dort behandeln lassen wollte.\u00a0Seine Familie kam f\u00fcr ihn an\u00a0erster Stelle. Um sie zu unterst\u00fctzen, stellte er seine Ausbildung als Fliesenleger zur\u00fcck und arbeitete als Paketzusteller.\u00a0Seine Eltern\u00a0beschreiben\u00a0ihn als fr\u00f6hlichen, hilfsbereiten und flei\u00dfigen Menschen. Seine Mutter Iulia P\u0103un erz\u00e4hlt \u00fcber ihn: \u201eVili konnte viele Sprachen, Italienisch, Franz\u00f6sisch, Spanisch. Er wollte eigentlich studieren\u201c. Vili-Viorel war ihr einziges Kind. Er wurde am 19.02.2020 von einem Rassisten in Hanau ermordet.\n\nFatih Sara\u00e7o\u011flu wurde im t\u00fcrkischen Iskilip geboren. Er zog von Regensburg nach Hanau, um sich selbstst\u00e4ndig zu machen. Sein Vater beschreibt ihn mit den Worten: \u201eEr war meine gr\u00f6\u00dfte Hilfe.\u201c Fatih Sara\u00e7o\u011flu besuchte ihn regelm\u00e4\u00dfig in Regensburg, half bei Beh\u00f6rdeng\u00e4ngen, \u00fcbersetzte f\u00fcr ihn. Sara\u00e7o\u011flu war 34 Jahre alt, als er am 19.2.2020 von einem Rassisten in Hanau ermordet wurde. Sein Bruder sagt \u00fcber ihn: \u201eEr war jemand, der viele Ideen hatte, der viel wollte. Er hat mich auch immer angetrieben, hat mich gefragt, was ich aus meinem Leben machen will. Aber Fatih wusste auch, wie man das Leben genie\u00dft. Wir sind gern zusammen trainieren gegangen, dann in die Sauna und hinterher gut Essen, Steak und so was.\u201c\n\nFerhat Unvar\u00a0hatte gerade seine Lehre als Heizungs- und Gasinstallateur abgeschlossen und war dabei, eine eigene Firma zu gr\u00fcnden, als ein Rassist ihn in der Hanauer Kesselstadt ermordete. Ferhat Unvar wurde 22 Jahre alt. Er stand auf Techno und Hip-Hop, traf sich oft mit Freund*innen in der Arena Bar. Und er hatte viele Pl\u00e4ne und Tr\u00e4ume, wie seine Familie berichtet.\u00a0Seine Mutter Serpil Temiz Unvar erz\u00e4hlt \u00fcber ihren Sohn: \u201eIn der Schule mochte Ferhat Mathematik. Zu Hause hat er sehr viel gelesen. Er hat sich f\u00fcr die Welt interessiert, f\u00fcr Menschen. Wenn er schon alle B\u00fccher gelesen hatte, die wir zu Hause hatten, hat er auch noch im Lexikon gebl\u00e4ttert. So einer war er.\u201c Er hatte kurdische Wurzeln.\n\nDer 33-j\u00e4hrige Kaloyan Velkov lebte erst seit zwei Jahren in Deutschland. Er war Wirt der Bar\u00a0La Vorte\u00a0neben der Shishabar\u00a0Midnight\u00a0und wollte seine Familie in Bulgarien durch seine Arbeit finanziell\u00a0unterst\u00fctzen. Der 33-J\u00e4hrige war orthodoxen Glaubens und wohnte in Erlensee. Er hinterl\u00e4sst seine Frau Harieta und den gemeinsamen achtj\u00e4hrigen Sohn. Seine Cousine Vaska Zlateva erinnert\u00a0sich an ihn als gl\u00fccklichen Menschen, der gerne in Deutschland gelebt hat: \u201eKaloyan hat immer alle gegr\u00fc\u00dft, hat mit den Leuten gelacht. Er wollte hier bleiben, er wollte gut Deutsch lernen, vielleicht irgendwann den Job wechseln und mehr Geld verdienen. Sich selbstst\u00e4ndig machen.\u201c\n\nInitiativen von Betroffenen\n\nWenige Tage nach der Tat, am 6. M\u00e4rz 2020, gr\u00fcndeten Angeh\u00f6rige der Todesopfer, \u00dcberlebende und Unterst\u00fctzter*innen die\u00a0 Initiative 19. Februar Hanau. Seitdem organisierte die Initiative Mahnwachen und Kundgebungen gegen das Vergessen an die Todesopfer und fordert Erinnerung, Gerechtigkeit, Aufkl\u00e4rung und Konsequenzen.\n\nAnfang Mai 2020 er\u00f6ffnete die Initiative einen \u201aRaum gegen das Vergessen\u2018 in Hanau f\u00fcr die Betroffenen, \u00dcberlebenden und solidarische Personen als Begegnungs- und Beratungszentrum.\n\nDie Bildungsinitiative Ferhat Unvar nahm am 14. November 2020 ihre Arbeit auf. Sie wurde initiiert und mitgegr\u00fcndet von Serpil Temiz, der Mutter von Ferhar Unvar. Sie m\u00f6chte damit vor allem antirassistische Bildung und Empowerment leisten und bietet dazu ein breites Angebot an.\n\nKritik an Beh\u00f6rden vor, w\u00e4hrend und nach der Tat\n\nSeit der Tat wird immer wieder Kritik an staatlichen Beh\u00f6rden formuliert. So wurde bekannt, dass sehr wahrscheinlich derselbe T\u00e4ter bereits im Jahr 2018 in Hanau-Kesselstadt Jugendliche rassistisch beleidigt und mit einem Sturmgewehr bedroht hat. Statt den fl\u00fcchtigen T\u00e4ter zu suchen, versuchten die Beamt*innen damals den Anrufer des Notrufs auszumachen, da dieser den Einsatz zu zahlen habe.\n\nW\u00e4hrend der Tat riefen viele Zeug*innen den Polizeinotruf an, erreichten aber niemanden. Wie im Januar 2021 Recherchen offenbarten, konnten zum Zeitpunkt der Tat die Notrufe nur an zwei Apparaten entgegengenommen werden. Doch anscheinend waren nicht einmal diese beiden durchg\u00e4ngig besetzt und eine Rufumleitung zu einer Leitstelle nicht eingerichtet. So wurden viele Hinweise nicht geh\u00f6rt, die wom\u00f6glich zur Verhinderung der Morde am zweiten Tatort beitragen h\u00e4tten k\u00f6nnen.\n\nAm zweiten Tatort, der Arena-Bar, war zum Tatzeitpunkt der Notausgang verschlossen. Die G\u00e4ste sa\u00dfen in der Falle und konnten also nicht vor dem Attent\u00e4ter fliehen. Im Dezember 2020 stellten Angeh\u00f6rige frustriert Strafanzeige gegen Unbekannt. Erst seitdem ist der verschlossene Notausgang Gegenstand der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft.\n\nFast ein Jahr nach dem rassistischen Terroranschlag ver\u00f6ffentliche die Initiative 19. Februar Hanau am 14. Februar 2021 ein Video mit einer Anklage. 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Wir f\u00fchren sie deshalb in unserer Chronik der Todesopfer rechter Gewalt.\n\nDie Generalbundesanwaltschaft ermittelt wegen Terrorverdachts. Ihr zufolge \u201eliegen gravierende Indizien f\u00fcr einen rassistischen Hintergrund der Tat vor\u201c. Grundlage f\u00fcr diese Einordnung ist unter anderem ein \u201eSkript\u201c, das der 42-j\u00e4hrige T\u00e4ter im Internet ver\u00f6ffentlichte. Darin vermischen sich antisemitische und verschw\u00f6rungsideologische Ideen mit rassistischen Vernichtungsfantasien. 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